Friday, December 3, 2010

10 Monate Down Under - Rueckblick und Resumee

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14. Januar 2010. Der See-Container ist gepackt, das Haus in Zang fast leer. Keine Matratze mehr, ich schlafe auf dem Fussboden im Wohnzimmer. Es hallt. Und meine Anspannung waechst stetig. Auswandern – all das Liebgewonnene und all meine Freunde zurueck lassen? Warum tue ich das? Australien – viel weiter weg geht fast nicht. Fremdes Land, fremde Menschen, fremdes Klima, alles neu, nichts mehr wie es war. Ich muss verrueckt sein. Alles wieder abblasen? Neun Monate Kampf um’s Visum hinschmeissen? Diese Gedanken drehen sich in dieser Nacht im Kreis.
23. Januar 2010. Sanfte Landung im neuen Airbus A380 in Sydney. Ich bin im Land meiner Traeume angekommen, und vom ersten Tag an ‚Permanent Resident of Australia’. Ich platze vor Freude und (diesmal) erwartungsvoller Anspannung. Ich habe es geschafft. Wenn ich will kann ich fuer immer hier bleiben.
Fuerstlicher konnte ich in meiner neuen Wahlheimat nicht empfangen werden. Am 26. Januar ist ‚Australia Day’, der Nationalfeiertag an welchem der ersten Ankunft und Besiedelung Australiens gedacht wird, und an dem unter anderem alle „neuen Australier“ offiziell, und vor allem herzlichst willkommen geheissen werden. Es gibt Freibier bei 35 Grad Celsius. Sydney brodelt. Und das ganze Spektakel findet mit einem bombastischen Feuerwerk im Hafen von Sydney seinen Hoehepunkt.
1. Dezember 2010. Zehn Monate Down Under - ‚und’? moegt ihr mich jetzt fragen. Wie die Australier sagen: „in a nut shell: the best decision of my life“ – (um es kurz zu machen: die beste Entscheidung meines Lebens.)

Ruben und ich sind aber nicht in dieses Land umgezogen, um hier Urlaub zu machen (wobei Ruben seit Wochen eigentlich nichts anderes als genau das tut). Auch hier gehe ich meiner taeglich geregelten Arbeit nach. Ja – auch Australier arbeiten viel und hart. Aber mit der fuer Australien bekannten Gelassenheit. Und das ist sicher einer der Gruende warum ich mich hier sehr sehr wohl fuehle. Der Einstieg in die Arbeitswelt war einfach fuer mich. Einfach deshalb, weil ich das grosse Glueck hatte und habe, hier fuer dieselbe Firma zu arbeiten wie in Deutschland, und auch noch den gleichen Job mache – Produktmanager fuer medizinische Geraete. In kuerzester Zeit habe ich meine neuen Arbeitskollegen sehr lieb gewonnen, und das ist sicherlich nicht einseitig. Die offene, hilfsbereite und herzliche Art der Aussies gibt einem sofort das Gefuhl von ‚willkommen zu sein’. Ruben wird im Februar sein in Deutschland begonnenes Studium fortsetzen. Die Eintrittshuerden an den Australischen Universitaeten sind vergleichbar dem Numerus Clausus in Deutschland sehr hoch und der riesige Papierkrieg fuer auslaendische Studenten nimmt viel Zeit in Anspruch.

Eines macht uns nach wie vor Kopfzerbrechen: Das ist der australische Slang waschechter Aussies. Wenn die erst mal richtig loslegen dann hat das mit Englisch nicht mehr viel gemeinsam. Da wird ein ‚i’ zu einem lang gezogenen ‚ouououiii’ eine Bierflasche zu einem ‚Stubby’, jeder ist ploetzlich des anderen ‚mate’, ein Pick-up Auto wird zu einem ‚Ute’ (von Utility car = Gebrauchs-Fahrzeug) und deren vieler mehr unverstaendlicher Redewendungen. Aber ich bin ja auch erst kurz in diesem fantastischen Land voller Besonderheiten, da habe ich etwas Narrenfreiheit und darf (noch) dumme Fragen stellen.

Viele von Euch werden sich noch an meine Worte erinnern, dass ich niemals mehr in eine Grossstadt ziehen wollte – und da bin ich nun, in einer der riesigen Metropolen dieser Welt (der Schoensten), Sydney mit ca. 4,5 Millionen Einwohnern. Sag niemals nie! Wir leben hier in einer netten Wohnung am Rande des Lane Cove River National Parks und sind fast von genau so viel Gruen umgeben wie in Zang. Nur dass die Flora und Fauna hier komplett anders ist. Es ziehen oefter mal intensive Eukalyptus Duefte durch die Wohnung (in Zang war das der wunderbare Duft des frisch geschnittenen Heus von Familie Kolb), die heimatlichen weissen Kirschblueten Traeume werden hier zu tief violetten Akazienblueten Orgien und die yellow necked Kakadus koennen einem mit ihrem Gekraechtze den morgentlichen Schlaf rauben. In Zang war das eben das Wettkraehen der Haehne. Und dennoch sind wir in nur 30 Minuten im vibrierenden City Centre von Sydney mit seinem multikulturellen Grossstadt Leben. 30 Minuten in die andere Richtung sind wir an den Northern Beaches und koennen das Gefuehl von Freiheit nachvollziehen auf den Wellen zu reiten. Noch vom Strand aus, wobei das Beginner Surf Board schon bereit steht. Aber aller Anfang ist schwer.

Weihnachten bei 30 Grad? Noch voellig unvorstellbar!
Snowboarden und Skifahren? Muss warten – vielleicht irgendwann in Neuseeland.
Heimweh? Ja. Besonders vermissen wir all unsere Freunde und natuerlich Jana und Alina.
Zurueck? Nein.